Publiziert am 02/11/2022

Der französische Verband des Güterkraftverkehrs (FNTR) prognostiziert zahlreiche Herausforderungen für den Transportsektor. Die Anstrengungen sind groß den CO2-Fußabdruck des Verkehrs zu reduzieren. Doch wie kann die Energiewende im Transportsektor gelingen? Welchen Herausforderungen müssen sich Transportunternehmen stellen? Welche Möglichkeiten bestehen und wie schnell lassen sich entsprechende Maßnahmen umsetzen? Wir haben mit Jean Marc Pellaza, Regionalbeauftragter der FNTR Normandie, gesprochen:

 

Wie beurteilen Sie die Verkehrswende? Wie können wir den CO2-Fußabdruck weiter reduzieren?

JMP: Unsere Welt steht vor einer noch nie dagewesenen ökologischen Herausforderung. Zahlreiche Unternehmen sehen sich einem massiven Wandel gegenüber – besonders der Transportsektor. Die größte Bürde trägt in der öffentlichen Wahrnehmung zumeist der LKW und die Argumente sind stets die gleichen: Lärm, davon ausgehende Gefahren und die Luft- sowie Umweltverschmutzung – zu Unrecht, meiner Meinung nach.

Denn unser Berufsstand verfolgt seit knapp 20 Jahren das Konzept der nachhaltigen Entwicklung, mit Erfolg: wir konnten die Schadstoffemissionen bereits um mehr als 80% senken. Diese Fortschritte sind beachtlich. Dennoch sind sie in der Öffentlichkeit meist völlig unbekannt. 85% unserer Flotten erfüllen bereits die EURO 6-Norm. Wir arbeiten hart daran, die Umweltfreundlichkeit unserer Flotten zu verbessern. Die verschiedenen Hersteller bieten für Kurzstrecken bereits elektrifizierte Modelle und für Mittel- sowie Langstrecken Gasmotoren an. In zehn Jahren blicken wir auf eine Vielzahl von Wasserstoff-Lkw auf unseren Straßen!

Für uns hat diese Entwicklung höchste Priorität, insbesondere auch hinsichtlich der derzeitigen Finanzlage. Massive Umstrukturierungen in der weltweiten Logistik sowie der Anstieg der Rohstoffepreise werden sich zweifelsohne auch auf die Energiewende auswirken

 

Speditionen sitzen hier an längeren Hebel und können den Wandel maßgeblich gestalten. Ist die Branche bereit diesen Wann auch zu gestalten und herbeizuführen?

JMP: 99 % der weltweiten Fuhrparks nutzen immer noch Diesel als Kraftstoff. Wir sind fest entschlossen zeitnah andere Energieträger zu nutzen und so maßgeblich den CO2-Fußabdruck des Transportwesens zu senken und damit die Verkehrswende zu beschleunigen. Dieser Prozess kommt bereits in Rollen. Biokraftstoffe, CNG und der allmählich wachsende Markt der batterieelektrischen Fahrzeuge unterstreichen diese Entwicklungen. Bislang sind Biokraftstoffe und Gas die einzigen beiden zuverlässigen alternativen Energien, um unsere Umweltbilanz zu verbessern.

 

Welche Rolle spielt Wasserstoff für den Erfolg der Verkehrswende? 

JMP: Grüner Wasserstoff ist klarer Hoffnungsträger. Derzeitige europäische Investitonsplände belegen diese Entwicklung. In der Normandie entsteht in Saint-Jean-de-Folleville die größte grüne Wasserstofftankstelle (H2V) der Welt. Auch in China wurde Wasserstoff bereits zur nationalen Priorität mit dem Ziel, bis 2030 eine Millionen Wasserstofffahrzeuge zu produzieren.

Grüner Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, hat einen positiven Einfluss auf die Umwelt! Wasserstofffahrzeuge haben den Vorteil, dass sie Wasserdampf ausstoßen und somit keine Treibhausgasemissionen verursachen! Nach Ansicht der Experten wird Wasserstoff eine wichtige Rolle auf dem Markt für schwere Nutzfahrzeuge sowie im Mittel- und Langstreckengüterverkehr spielen. Dies ist der Autonomie zu verdanken, die diese Technologie im Vergleich zu ausschließlich batteriebetriebenen Fahrzeugen bietet. Die Betankung dauert nur wenige Minuten.

Andererseits sind Brennstoffzellen auch für Wetterbedingungen wie extreme Hitze oder Kälte geeignet. Volvo und Daimler arbeiten zusammen, um bis 2025-2030 Brennstoffzellen für Lkw herzustellen.

 

Welche Möglichkeiten gibt es für Transporteure, auf Wasserstoff umzusteigen?

JMP: Der Einsatz von Wasserstoff ist für uns eine Lösung zur Dekarbonisierung unserer Fahrzeugflotten ohne Verlust der gewohnten Agilität, die wir von Verbrennungsmotoren gewohnt sind (Reichweite und Tankzeit). Eine Möglichkeit, das Image unseres Berufsstandes zu verbessern und junge Menschen für unsere Berufe zu gewinnen.

Es gibt bereits Lösungen für den Zugang zu dieser Technologie, und zwar in Form von Projekten zur Einrichtung kompletter Wasserstoff-Ökosysteme (Produktion, Vertrieb, Anwendung). Transportunternehmen können sich bereits an diesen Projekten beteiligen. Die Region Normandie in Frankreich ist besonders aktiv und engagiert im Wasserstoffsektor.

 

Was sind jedoch die Hindernisse, die einer solchen Umstellung entgegenstehen?

JMP: Das ist die Kernfrage. Die Bedeutung von grünem Wasserstoff kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es handelt sich dabei um Wasserstoff, der durch Elektrolyse aus Wasser unter Verwendung von Ökostrom hergestellt wird. Nebenbei bemerkt ist derzeit kein anderer grüner Kraftstoff in Sicht, der den Bedarf des energieintensiven Luft-, See- und Straßenverkehrs decken kann.

Diese Technologie hat viele Vorteile, doch die Kosten und die noch zu realisierenden technischen Entwicklungen behindern ihre flächendeckende Nutzung erheblich. Die Herstellung und der Vertrieb von Wasserstoff sind teuer. Ein schweres Fahrzeug wird derzeit für rund 500.000 Euro verkauft.

Eines der Hindernisse, mit denen die Brennstoffzelle konfrontiert sein wird, ist ihre Sicherheit. Auch wenn einige Hersteller versichern, dass ihre Geräte absolut sicher sind, muss vor allem das Vertrauen der Nutzer gewonnen werden! Der Straßenverkehr befindet sich in einem unumkehrbaren Wandel, der zu einer Explosion seiner Betriebskosten und zum Ende eines Wirtschaftsmodells führen wird, das jahrelang vom flüssigen Erdöl angetrieben wurde.

 

Wie wird sich der Sektor Ihrer Meinung nach mittelfristig entwickeln?

JMP: Die Energiewende ist ein Schlüsselelement der Umweltpolitik und der Verkehrswende. Wir setzen uns für den Einsatz eines nachhaltigen Energiemixes für die nächsten 15 Jahre im Bereich des Straßenverkehrs ein. Dieser zukünftige Energiemix sollte aus dem Einsatz von Gas/Biogas, Strom und Wasserstoff bestehen.

Bisher ist das Angebot der Hersteller von Industriefahrzeugen für alle Energieoptionen noch nicht so vielfältig wie bei Fahrzeugen mit Dieselkraftstoff. Dies wird sich jedoch voraussichtlich in den nächsten Jahren rasch ändern. Die Verdichtung des Versorgungsnetzes bleibt eine der größten Herausforderungen im Energiemix. Sie wird durch die vorherrschende Rolle der Kommunen und Gemeinden noch verstärkt.